Welcher
Unterschied besteht, ob ein Beratungslehrer oder ein Schulpsychologe ein
lösungsorientiertes Gespräch führt? Die Stellung im schulischen Gefüge und das
Eingebundensein in den schulischen Alltag bilden die Hauptunterschiede. Das
heisst, der Schulpsychologie ist „Gast“ der Schule und darum nur zeitweise
präsent, dafür kennt er verschiedene Schulsysteme. Der Beratungslehrer ist Bestandteil
der Schule, ständig präsent und kennt das Schulsystem seiner eigenen Schule
sehr genau (vgl. Berkling 2010, S. 36). Die Schwierigkeit des Beratungslehrers
besteht darin, dass er oftmals mehrere Rollen gleichzeitig einnehmen muss, die
nicht immer miteinander kompatibel sind. Es ist problematisch, weil er
gleichzeitig benotet und berät.
Häufig
kommen Eltern in die Schule und hätten gerne die Meinung von einem Experten
über den Leistungsstand oder das Arbeit-/Sozialverhalten ihres Kindes. Hier
steckt der lösungsorientierte Berater in einer Zwickmühle, denn die Verwendung
von Expertenwissen wird ihm in diesem Ansatz verboten. Dieses Dilemma kann
folgendermassen gelöst werden: Entweder kann eine Beratung durchgeführt werden,
welche nicht auf dem lösungsorientierten Prinzip aufbaut, sondern rein
informativ ist. Oder es kann auf die Klientenfrage nicht umgehend eingegangen
werden. Bei diesem Vorgehen wird die Frage an den Klienten zurückgegeben. Das
heisst, der Berater stellt so viele Fragen oder paraphrasiert das Gesagte des
Klienten, bis dieser selbst auf die Lösung stösst. Der Berater bietet
ausschliesslich Unterstützung, er leitet den Klienten so, dass dieser selber
Verbesserungsvorschläge entwerfen kann, welche zum gewünschten Zustand führen
können. Durch diesen Ablauf kann problemlos ein Lehrer das Beratungsgespräch
führen, denn ein Rollenkonflikt scheint hier eher unwahrscheinlich zu sein
(vgl. Berkling 2010, S. 37-41).
Wie können
Lehrpersonen beraten werden? Schaarschmidt (2005) zeigt in seiner Potsdamer Lehrerstudie auf, dass es kaum einen anderen Beruf gibt, welcher vergleichbar
kritische Beanspruchungsverhältnisse aufweist, wie der Lehrerberuf. Er nennt
dabei die drei belastendsten Faktoren Schülerverhalten, die Klassengrössen und
die hohen Stundzahlen. Somit stellen die Lehrer die grösste Gruppe der um
Beratung nachsuchenden Personen dar. Wenn der Berater einen Kollegen des Lehrers
ist, hat dieser oft mühe, sein Problem offen darzulegen. Es ist ihm peinlich.
Das stellt kein Hindernis für eine problemorientierte Beratung dar, denn sie
kann auch stattfinden, ohne dass der Berater weiss, was genau das Problem
darstellt (vgl. Berkling 2010, S. 42-45).
Wie können
Eltern beraten werden? Eltern werden oft für ein Gespräch eingeladen, weil die
Lehrperson sich über ihr Kind oder über das elterliche Handeln (bzw.
Nichthandeln) beschweren will. Eltern hören solche Anklagen jedoch nicht gerne,
denn sie haben den Wunsch, dass über ihr Kind nur Gutes gesprochen wird, so
dass sie stolz auf sie sein können. Darum sollen unerwünschte oder schlechte
Nachrichten an die Eltern nur in einem ausgewogenen Verhältnis zu positiven
Rückmeldungen weitergegeben werden. Zudem ist es oftmals nicht hilfreich, wenn
Anschuldigungen im Gespräch vorkommen, weil sich die Eltern in ihrer Funktion
als Erziehungsperson angegriffen fühlen. Viel besser ist es, eine gemeinsame
Lösung zu finden. Beispielsweise kann diskutiert werden, wie das Kind
unterstützt werden kann, dass es seine Hausaufgaben erledigt. Diese
Unterstützung erfolgt von Seite der Eltern, wie von Seite der Schule.
Oftmals
wird angenommen, dass Eltern aus niedrigeren Bildungsniveaus mit den
Fragetechniken des lösungsorientierten Modells nicht zurechtkommen. Dies ist ein
Irrtum (vgl. Berkling 2010, S. 46-48).
Wie können
Schülerinnen und Schüler beraten werden? Kinder drücken sich häufig auf eine
sehr kreative Art und Weise aus, beispielsweise in Bewegungsabläufen,
Fantasiegeschichten oder mit Blicken. Dabei sind die Fähigkeit des Zuhörens und
eine besondere Beobachtungsgabe von Nöten.
Viele
Kinder und Jugendliche sträuben sich gegen eine Beratung und zeigen darum eine
demonstrative Langeweile. Dieses Verhalten darf der Berater nicht auf sich
persönlich beziehen und sich schon gar nicht daran hindern lassen, mit dem
Gespräch fortzufahren. Je aktiver er ist, desto schneller kann er die Kooperation
des Kindes gewinnen und ihn dazu ermutigen, über sich zu sprechen. Lobende
Äusserungen sind dabei sehr hilfreich, da sie das Vertrauen aufbauen. Wichtig
ist dabei, dass das Lob authentisch wirkt.
Ein
wirkungsvolles Vorgehen bei Lernenden ist, sie darum zu bitten aus der Sicht
einer anderen Person zu erzählen. Das erhöht die Wahrscheinlichkeit eine
konstruktive Antwort zu erhalten (vgl. Berkling 2010, S. 48-50).
Problematisch
bei einer Beratung ist oftmals, dass die Beteiligten unfreiwillig dort sind, ob
das nun Kinder, Jugendliche, Eltern oder Lehrpersonen sind. Dass eine Beratung
stattfinden muss, wird ein Verhalten bemängelt oder dem Klient ein Problem
zugeschrieben. Dies ruft Ablehnung hervor, da niemand gerne negative Aussagen
über sich hört. Wenn ein Klient sich wirklich nicht ändern will und in seinem
Verhalten keine Probleme sieht, sollte die Beratung beendet werden. Einen
Versuch ist es jedoch immer wert, denn viele Klienten, die unfreiwillig in
einer Beratung sind, beginnen in kürzester Zeit zu kooperieren und sind
motiviert, etwas zu ändern. So verlassen sie oft sehr schnell den Status der
Unfreiwilligkeit (vgl. Berkling 2010, S. 50-52).
Mir
leuchten die geschilderten Vorgehen von der lösungsorientierten Beratung nach
Berkling (2010) ein. Besonders spannend finde ich das fragenentwickelnde
Gespräch. Ich hatte in meinem Bachelor in der Erziehungswissenschaft zwei
Blockkurse über Erziehungsberatung. Dort mussten wir selber untereinander
solche Beratungsgespräche führen. Zuerst dachte ich mir, dass wir durch diese
Technik zu keinem Ziel kommen würden. Nach und nach entdeckte ich jedoch die starke
Wirkung dieses Vorgehens. Als Berater ist es zu Beginn komisch, fast
ausschliesslich Fragen zu stellen oder zu paraphrasieren. Denn normalerweise
läuft ein Gespräch nicht auf diese Art und Weise ab. Man fühlt sich fast ein
bisschen aufdringlich durch das stetige Fragen und gleichzeitig passiv, da kein
Expertenwissen in die Beratung einfliesst. Als ich jedoch die Rolle des
Klienten einnahm, erkannte ich, wie angenehm ein solches Gespräch wirkt. Man
fühlt sich ernstgenommen und nicht unter Druck gesetzt. Denn keine Vorwürfe oder
für sich selber unpassende Verbesserungsvorschläge werden ausgesprochen seitens
des Beraters.
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