Freitag, 15. November 2013

Reflexion zur Lektüre „Lösungsorientierte Beratung“


Ich mag den Wandel im Denken an diesem Ansatz. Der Fokus liegt nicht mehr auf den Ursprüngen des Problems (wie bei der Freudschen Tiefenpsychologie), sondern der Blick wird in die Zukunft und auf die Lösung gerichtet. Durch den Blick nach vorne, wird die Zukunft als Ort der Hoffnung angesehen. Mit einer positiven Haltung ein Problem anzugehen, finde ich im Grunde sehr bedeutsam. Trotzdem denke ich, dass die Ursachen in der Vergangenheit nicht uninteressant und belanglos für die Lösungsfindung sind und darum in einem gewissen Masse Beachtung geschenkt werden sollte.
Die Umorientierung vom Problem- zum Lösungsgedanken sowie die Umorientierung von der Vergangenheit auf die Zukunft erachte ich als wichtig. Dieser Ansatz ist mir aber zu extrem. Wieso nicht einen Mittelweg einschlagen?

Blick in die Zukunft - Mittelweg?

Ein weiteres Merkmal der lösungsorientierten Beratung ist der Wandel im Rollenverständnis von Berater und Ratsuchendem. Im lösungsorientierten Vorgehen gibt es zwei Experten: „Die ratsuchende Person als Expertin für ihre persönlichen Wünsche und Bedürfnisse und den Berater als Experten für die Gestaltung des Beratungsprozesses“ (Berkling 2010, S. 27). Das heisst, der Berater, welcher über ein grosses Fachwissen verfügt, fungiert hier nicht als einziger Experte. Er versucht vielmehr den Ratsuchenden zu befähigen, seinem eigenen Können zu vertrauen und sich selber zu helfen. Der Ratsuchende sollte die Fähigkeit besitzen, Problemlösungen auf Grundlage seiner eigenen Ressourcen und Erfolge zu entwickeln. Somit wird im lösungsorientierten Ansatz dem Ratsuchenden das grösstmögliche Mass an Autonomie gewährt. Sein Selbstwert wird gestärkt. Der Berater nimmt sich zurück und unterstützt die ratsuchende Person in ihrem Prozess. Er selber gibt jedoch keine Ratschläge (vgl. Berkling 2010, S. 23ff.).
Die neue Rolle des Beraters erachte ich als sinnvoll, da sich der Ratsuchende selbst mit dem Problem auseinandersetzten sollte. Dahingeredete Ratschläge eines Beraters können meist nicht aufgenommen oder akzeptiert werden.

Dieses Vorgehen erinnert mich an Erzählungen meines Freundes. Er arbeitet als Kundenberater auf einer Bank und musste bereits einige Verkaufskurse besuchen. Darin lernen sie folgendes: Sie sollten ihren Kunden nicht ein Vorschlag unterbreiten, wie sie ihr Geld am besten anlegen sollten, sondern sie lenken dass Gespräch so, dass am Ende der Kunde selbst herausfindet, was für ihn am besten ist. Wenn der Kunde von sich aus den gleichen Lösungsansatz vorschlägt, wie der Kundenberater im Vornherein erarbeitet hatte, gilt dies als gelungenes Gespräch. Die Lösung wird gemeinsam erarbeitet. Dieses bedürfnisorientierte Kundengespräch gleicht der lösungsorientierten Beratung, auch wenn es in komplett unterschiedlichen Kontexten abläuft.

Was mich bei Heike Berkling irritierte, ist das Zurückhalten des Fachwissens des Beraters. Sein Fachwissen ist wertvoll und sollte genutzt werden. (Mein Freund benutzt sein Fachwissen in einem Kundengespräch ebenso.) Schliesslich sollte der Berater die ratsuchende Person entlasten können. Fühlt sich der Ratsuchende mit seinem Problem nicht alleine gelassen, wenn der Berater überhaupt keine Ratschläge geben darf?

Ratsuchende Lehrpersonen wenden sich oft an eine Beratung, weil sie ein „Problemkind“ in der Klasse haben und ein Gespräch zwischen dem Schüler und dem Berater wollen. Beim lösungsorientierten Ansatz wendet sich die Person jedoch niemals an die dritte Person („Problemträger“), sondern ausschliesslich an die ratsuchende. Dies erscheint mir plausibel, denn solange eine Person (hier der Schüler) ihr Verhalten nicht als problematische erachtet, ist sie für Lösungsvorschläge nicht empfänglich. Eine Therapie kann nur gelingen, wenn eine Person selbst erkennt, dass sie Hilfe braucht.

Die Lektüre gibt Aufschluss, wie ich als Lehrperson auf Problemfälle reagieren kann. Das heisst für mich, ich überlege mir zuerst, was ich an meinem Unterricht oder meiner Beziehung zum Schüler ändern kann, so dass sein störendes Verhalten minimiert wird. Zudem habe ich nun eine Vorstellung davon, welche Vorgehensweise ich bei einer Beratung antreffen könnte.   

Bibliographie:
Berkling, Heike: Lösungsorientierte Beratung. Handlungsstrategien für die Schule. Stuttgart 2010. 

2 Kommentare:

  1. Liebe Maria
    Ich finde deinen Beitrag zum Buch Lösungsorientierte Beratung sehr spannend. Den Vergleich den du vornimmst mit der Beratertätigkeit deines Freundes und die eigene Schlussfolgerung für deine Lehrertätigkeit finde ich super :-).
    Einen kurzen Gedanken zu deiner Irritation zum Thema Fachwissen den ich dir weitergeben möchte: Als Psychologin lege ich eigentlich auch sehr viel Wert auf Fachwissen und finde es auch wichtig, dass man sein Fachwissen einzubringen weiss und Ratsuchenden damit zur Seite stehen kann. Ich habe den Ansatz der lösungsorientierten Beratung so verstanden, dass es hier genau darum geht diese Tendenz loszulassen.
    Schon oft habe ich bemerkt, dass Ratsuchende viel eher zu einem Lösungsansatz stehen können (und diesen Ausprobieren möchten), wenn sie diesen selbst kreiiert haben. Zur Durchführung einer eigenen Idee hat man viel die positiveren Assoziationen als zu einer vorgeschlagenen Lösung. Ich denke die lösungsorientierte Beratung möchte darauf hinzielen, dass die Lösung für den Ratsuchenden möglichst interessant ist und ev. sogar mit Freude angegangen wird . Das Interesse und die Freude an einer Lösung sind, wie gesagt am grössten, wenn man selbst Architekt des Lösungsvorschlages ist. Hierfür brauchen viele Ratsuchende gar nicht unbedingt Fachwissen, sondern die richtigen Fragen. Denn dadurch merken sie selbst, wo sie hinkommen möchten und wie ihnen der Weg dorthin am besten gelingt.
    Ich denke schwieriger ist das Ausharren und Abwarten als Berater, wenn der Ratsuchende eine Weile braucht, bis eine eigene gute Idee entsteht. Die Tendenz schneller einzugreifen und eine Lösung vorzuschlagen (da das Fachwissen ja vorhanden ist) muss im lösungsorientierten Ansatz "unterdrückt" werden. Diesen Punkt sehe ich eher als die Schwierigkeit ;-).
    Liebe Grüsse Melina

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  2. Maria, du sprichst mir aus der Seele. Mich hat das Zurückhalten von Fachwissen in einem Beratungsgespräch auch sehr irritiert. So wie Melina dies erklärt, ergibt dieses Vorgehen durchaus Sinn. (Danke an dieser Stelle ;) )
    Die Frage, wozu es dann noch einen fachlich ausgebildeten Berater braucht, stellt sich mir allerdings noch immer...

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